Ein gutes Team: Omid Vahdani (re.) mit seinem Lehrmeister Wolfgang Feldmeier in dessen Werkstatt in Kallmünz.
Im Gespräch mit jungen GeflüchtetenZweite Chance im Handwerk
Krieg, politische Verfolgung, Perspektivlosigkeit – die Gründe für Flucht sind vielfältig. Abud Baaj ist vor dem syrischen Bürgerkrieg geflohen. Ausschlaggebend war für den heute 25-jährigen Orthopädietechnikermeister der in seiner Heimat mit 18 Jahren verpflichtende Einzug ins Militär. Damit habe er nichts zu tun haben wollen. Arbeiten, lernen und in Frieden leben – das wollte er. Alleine kam er nach Regensburg, wo er nun seit fast zehn Jahren lebt. Auch Omid Vahdani ist ohne Familie aus dem Iran geflohen. Grund war das dortige Regime. Seine Teilnahme an einer Demonstration an der Universität in Teheran wurde ihm zum Verhängnis. Nach dem Ausschluss aus dem Studium verbrachte er zwei Jahre in Budapest, doch dort konnte er nicht bleiben. Er sagt: „Alles ist besser als in den Iran zurückzugehen“. Dort hätte er mit Repressionen zu rechnen, daher entschied er sich für Deutschland. Vor etwa zweieinhalb Jahren kam der heute 28-Jährige in Regensburg an. Seit letztem Jahr ist er Auszubildender in der Kfz-Mechatronik.
Sprache als Brücke und Hürde
Sprachbarrieren oder kulturelle Unterschiede in Bezug auf Kommunikation sind oft Hürden, wenn es um die Integration junger Geflüchteter in Handwerksbetrieben geht, sagt Olga Nägler. Sie ist seit 2023 bei der Handwerkskammer Ausbildungsakquisiteurin für junge Geflüchtete. Gefördert wird ihre Stelle durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. Regionale Dialekte stellen oftmals zusätzliche Hindernisse dar. Omid Vahdani sagt lächelnd: „Deutsch ist schon schwer, aber Bayerisch macht es noch schwerer“. Der junge Geflüchtete eignete sich Deutsch vor allem über YouTube und alltägliche Gespräche mit Freunden an. Für Abud Baaj scheint der Dialekt hingegen kein großes Problem zu sein: „Mit Bayerisch ist es überhaupt kein Thema“. Ab und zu gäbe es Verständigungsprobleme und gerade der Anfang sei schwierig gewesen, aber nun laufe es sehr gut. Zwar hat Baaj einen Deutschkurs belegt, doch auch er betont, dass es die alltäglichen Unterhaltungen sind, die einem am besten dabei helfen, eine Sprache zu erlernen.
Der Weg ins Handwerk
Der Weg in die Orthopädietechnik war bei Baaj kein Zufall. Er knüpft damit an eine Familientradition an: „Das ist eine sehr schöne Geschichte“, erzählt er begeistert. Sein Vater sei ebenfalls Orthopädietechniker und habe einen eigenen Betrieb in Syrien gehabt. Früh habe Baaj in der Werkstatt mitgeholfen und großes Interesse an dem Beruf entwickelt. Der Familienbetrieb in Syrien wurde jedoch zerstört und so schien diese Branche für ihn vorerst keine Perspektive mehr zu bieten – bis er nach Deutschland kam: „Ich dachte mir: okay, jetzt bekomme ich hier eine zweite Chance und mache doch worauf ich Lust habe – und das hat dann geklappt“. 2018 begann er eine Ausbildung beim Sanitätshaus Reiss in Regensburg. Nach drei Jahren Ausbildung startete er 2023 mit dem Meisterkurs und schloss diesen 2025 ab. Große Freude macht ihm an seinem Beruf nicht nur das Handwerk an sich, sondern auch die Möglichkeit nah am Menschen zu arbeiten: „Das ist etwas Besonderes“. Mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen steht bei ihm im Fokus: „Alles was ich selber mache, liegt mir am Herzen. Das ist ein Stück von mir, das habe ich gemacht, da ist meine Leidenschaft dabei, mein Wissen“. Vor allem die Unterstützung, die er von allen Seiten erfahren hat, betont er, sei ausschlaggebend für seinen Erfolg gewesen. Er habe tolle Kollegen und mit Ben Niefnecker und Stephan Buchmann vom Sanitätshaus Reiss vor allem tolle Lehrmeister. Sein Meistertitel, so Baaj, sei maßgeblich auch deren Verdienst. Auf seinem Weg habe es wenig Probleme gegeben: „Am Ende hat es geklappt und das ist, was zählt“.
Hoffnung und Ungewissheit
Dass es so nicht immer läuft, hat Omid Vahdani erleben müssen. Fast zwei Jahre habe er auf die Antwort auf seinen Asylantrag gewartet. Nun habe er für die Dauer seiner Ausbildung als Kfz-Mechatroniker eine Duldung: „Aber nach der Ausbildung – weiß ich nicht“.
Der Aufenthaltsstatus junger Geflüchteter ist ein zentrales Thema der Arbeit von Olga Nägler. Das Interesse der Betriebe an geflüchteten Auszubildenden sei zwar da, berichtet sie, jedoch sorge der potentielle Verlust einer gut ausgebildeten Fachkraft für Verunsicherung. Genau hier ist die Ausbildungsakquisiteurin der Handwerkskammer gefragt, um zwischen Betrieb, Geflüchtetem und gegebenenfalls der Behörde zu vermitteln. Wolfgang Feldmeier, der das gleichnamige Autohaus in Kallmünz führt in dem Vahdani nun seine Ausbildung absolviert, will dem jungen Iraner trotz seines prekären Aufenthaltsstatus eine Chance geben. Er habe andere Azubis gehabt, die nach zwei oder drei Monaten die Ausbildung geschmissen hätten – auf Omid dagegen sei Verlass. Mit der Ausbildung im Familienbetrieb und dem dortigen Umfeld ist Vahdani sichtlich zufrieden. „Die ganze Familie Feldmeier sind die Besten und auch die Kollegen sind wirklich sehr nett“. Zur Kfz-Branche ist er über die Liebe zu Autos gekommen. Aktuell schließt er sein erstes Lehrjahr ab.
Integration braucht Perspektiven
Im Diskurs über Geflüchtete fällt für Abud Baaj vor allem eine Tatsache unter den Tisch: „Man sollte immer auch an die Leute denken, die wirklich für das Land, für Deutschland, etwas gemacht haben“. Laut Bundesagentur für Arbeit gäbe es ohne Zuwanderung de facto keinen Beschäftigungszuwachs. Auch für das Handwerk sind ausländische Arbeitskräfte entscheidend: der Anteil ausländischer Auszubildender im Kammergebiet der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz ist im Jahr 2024 auf 15,3 Prozent gestiegen. Die Bundesagentur weist zudem darauf hin, dass das Potential noch gar nicht voll ausgeschöpft wurde. Auch Olga Nägler bestätigt das: „Die Bereitschaft der Betriebe, junge Geflüchtete in die Ausbildung aufzunehmen, ist zurückgegangen“.
DHZ-Artikel
Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 7. November 2025.
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Mit den eigenen Händen etwas erschaffen, um Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen: Abud Baaj bei der Arbeit an einer Unterschenkelprothese.