HWK-Präsident Dr. Georg Haber steht vor der Kammerhauptverwaltung in Regensburg.
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Statement zum JahreswechselWorte sind genug gewechselt

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Das Statement zum Jahreswechsel von HWK-Präsident  Dr. Georg Haber.



Liebe Handwerkskolleginnen,
liebe Handwerkskollegen,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

„Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn!“

Besser als dieses Zitat aus Goethes Faust kann man meinen dringenden Appell an die Politik nicht zusammenfassen. Wir alle warten nach vielen Worten endlich auf grundlegende und mutige Strukturreformen. Versprochen wurden sie. Gerade im Handwerk und im Mittelstand war die Bundestagswahl mit vielen Hoffnungen und auch Forderungen verbunden: praxisferne Bürokratie, infrastrukturelle Probleme, hohe Energiekosten, stetige Überlastung der Sozialsysteme – alles Themen, die unsere Wirtschaft und vor allem kleinere Handwerksbetriebe mehr und mehr in die Knie zwingen und nun endlich gelöst oder zumindest grundlegend angepackt werden sollten. So die Hoffnung von uns allen. Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Mehr noch, und das ist für unsere Demokratie brandgefährlich: das Vertrauen in die Politik schwindet. Signifikante Entlastungen? Verlässliche Rahmenbedingungen? Mittelstandsfreundliche Anreize für mehr Investitionen und unternehmerischen Mut? Überall haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Von einer echten Wirtschaftswende kann bis jetzt noch keine Rede sein. Dabei ist und bleibt eine verlässliche Politik die Grundlage für mutiges wirtschaftliches Handeln und langfristige Investitionsentscheidungen.

Ich nenne an dieser Stelle exemplarisch einige konkrete Forderungen und Probleme, die dem Handwerk unter den Nägeln brennen: Stichwort Digitalisierung der Verwaltung: es sollte doch in einem fortschrittlichen Land wie Deutschland auf absehbare Zeit möglich sein, Unternehmensdaten nur einmalig zu erfassen und dann von verschiedensten Behörden mit berechtigtem Interesse abrufen zu lassen. Zeitraubende Mehrfachmeldungen, die noch dazu oft nicht einmal komplett digital abgewickelt werden können, darf es in naher Zukunft nicht mehr geben. Unter anderem dieses Thema konnte ich vor wenigen Wochen als Mitglied des Mittelstandbeirats im Übrigen auch mit Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche in Berlin persönlich besprechen. Aber nicht nur die lähmende Bürokratie schwächt den Mittelstand: Auch die Mittelstandsfinanzierung macht uns Sorgen. Im ostbayerischen Handwerk stehen in den nächsten Jahren tausende Betriebe zur Übernahme an. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen eine Übernahme oder Weiterführung eines Betriebs für viele junge Handwerkerinnen und Handwerker zusehends unattraktiv. Und als ob das nicht schon genug wäre, berichten uns unsere Handwerker, dass es immer schwieriger wird, von den Banken das nötige Kapital für eine Betriebsübernahme zu bekommen. Auch hier muss sich dringend etwas ändern. Auch an eine Flexibilisierung der Arbeitszeit müssen wir ran: Starre Zeitlimits sind für viele Betriebe oft ein Bremsklotz. Im Übrigen plädieren auch viele Arbeitnehmer für eine flexible wöchentliche Arbeitszeit. Besonders die Jüngeren finden das gut. Laut einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach befürworten unter den 16- bis 29-Jährigen 63 Prozent die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Neue Regelungen sollten die Arbeit flexibler gestalten, erfordern aber eine genaue Beachtung der gesetzlichen Anforderungen und die sorgfältige Abwägung der gesundheitlichen Risiken. Die derzeitige Diskussion über eine mögliche Aufweichung der Fach- und Teillosvergabe bewegt das Handwerk ebenfalls enorm. Eine Ausweitung der Generalunternehmervergaben wird mittelständische Betriebe von öffentlichen Aufträgen de facto ausschließen. In unserem Kammergebiet sind 46 Prozent aller Betriebe im Bau- und Ausbaubereich tätig. Konkret summiert sich das auf rund 20.000 Handwerksbetriebe mit 100.000 tätigen Personen. Diese Betriebe sind schlicht auf einen fairen Wettbewerb angewiesen. Der Erhalt des Losgrundsatzes ist eine Nagelprobe für eine dem Mittelstand zugewandte Politik. Und – nebenbei bemerkt – unsere Kommunen können auch auf die Gewerbesteuereinnahmen gerade dieser Unternehmen nicht verzichten.

Handwerk und Mittelstand sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Das ist keine Worthülse, sondern Tatsache. Wer den Mittelstand nicht stärkt, schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland. Darauf weise ich in München, Berlin und Brüssel immer wieder hin. Natürlich könnte ich meinen „Reform-Wunschzettel“ noch fortsetzen. Aber, wie gesagt: Forderungen und Worte allein bringen uns nicht weiter. Die Probleme des Mittelstands liegen auf dem Tisch. Was uns weiterbringt, ist entschlossenes, gemeinsames Handeln. Denkverbote darf es nicht geben. Die nötigen Reformen müssen auf eine breite Basis gestellt werden – über Parteigrenzen hinweg. Der politische Diskurs sollte vom Miteinander getragen werden. Die Bevölkerung hat diese lähmenden und oft auf persönlichen Eitelkeiten basierenden Streitereien einfach satt. Und – davon bin ich fest überzeugt – die Bevölkerung ist auch nicht so dumm zu glauben, dass es für komplexe Sachverhalte immer nur einfache Lösungen gibt. Politikverdrossenheit entsteht allerdings dann, wenn die Politik den Anschein erweckt, nicht gerecht, ehrlich oder entschlossen genug zu handeln. Ständiges Taktieren und Aufschieben stärkt radikale Ränder und schwächt unser Gemeinwesen.

Ich will nicht schwarzmalen: Noch hält das Handwerk dem wirtschaftlichen Druck stand und hofft dabei weiter auf die Unterstützung der Politik. Eins ist sicher: Wir verstehen unser Handwerk. Aber unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt nicht nur von unserem Wissen und unserer Leistungsbereitschaft ab. Wir brauchen faire Bedingungen und politische Lösungen, die mehr als nur eine Legislaturperiode tragen. Unsere aktuelle Imagekampagne steht unter dem Leitmotiv „Wir können alles, was kommt.“ Und das stimmt: Handwerk kann Energiewende, Handwerk kann Infrastrukturausbau, Handwerk kann Nahversorgung, Handwerk kann Innovation und Tradition. Alles, was wir brauchen, sind verlässliche und faire Rahmenbedingungen, die den Mittelstand stärken. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können stolz sein auf unser Wissen, unseren unternehmerischen Mut und auf unsere Handwerkstraditionen und auch dankbar dafür, dass wir immer noch in einem großartigen Land leben. In einem demokratischen Land, in dem jeder die Chance hat, ein Leben in Freiheit zu führen. Das Handwerk steht auch im nächsten Jahr bereit, seinen Beitrag zum Gelingen unseres Gemeinwesens zu leisten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes, gesundes und hoffnungsvolles neues Jahr 2026.

Dr. Georg Haber
HWK Präsident