Forster Unternehmensgruppe
Die Auszubildenden Jaime (li.) und David (re.) aus El Salvador lernen schnell und fühlen sich wohl in ihrem Oberpfälzer Ausbildungsbetrieb. Auch dank ihrem Paten Mirco (2.v.li.) und Prokurist Ludwig Lachmeyer (2.v.re.).

Aus der Deutschen Handwerks ZeitungVon den Tropen in die Oberpfalz

Auch wenn zuletzt wieder mehr ostbayerische Handwerksbetriebe ihre Lehrstellen besetzen konnten, plagen viele Betriebe enorme Nachwuchssorgen. Allein in der Oberpfalz kommen laut Arbeitsagentur über alle Branchen hinweg auf einen Bewerber 2,6 Lehrstellen. Grund genug, sich als Unternehmen für neue Wege der Azubigewinnung zu öffnen. Ein seit 2022 laufendes Projekt der Agentur für Arbeit in Weiden zeigt welches Potenzial der ausländische Bewerbermarkt, speziell aus Lateinamerika, für regionale Betriebe bieten kann.
 

Aus der Not heraus geboren

Denkt man an El Salvador, denkt man an Karibik und Tropenparadies. Tatsächlich ist die Realität eine andere: Schwere Bandenkriminalität, Korruption, Wirtschaftskrise und Armut. Noch dazu ein Präsident, der sich auf brutale Weise den Weg in die Diktatur ebnet. Die Folge: Gerade bei der jungen Generation macht sich Perspektivlosigkeit breit, die schwache Wirtschaft und die hohen Arbeitslosenzahlen lassen ihnen kaum Chancen. 9.454 Kilometer entfernt herrschen in Deutschland ganz andere Probleme. Der Nachwuchs- und Fachkräftemangel lähmt die Unternehmen hierzulande regelrecht. „2022 war es besonders schlimm“, berichtet Stephan Bösl, Qualifizierungsberater und Vermittler im Arbeitgeberservice bei der Agentur für Arbeit in Weiden. „Verzweifelte Unternehmer riefen uns an, die händeringend nach Azubis suchten.“ Das war die Geburtsstunde von „El Salvador“, einem Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV). Die Idee: Junge, motivierte Bewerber aus dem zentralamerikanischen Land für offene Ausbildungsstellen in der Nordoberpfalz zu rekrutieren.
 

„El Salvador“ hat Fahrt aufgenommen

Auch wenn das Projekt laut Bösl zunächst holprig angelaufen sei, weil erst einmal Betriebe gefunden werden mussten, die mutig vorangehen, scheinen die Startschwierigkeiten überwunden. „Aktuell läuft ‚El Salvador‘ in der dritten Auflage, immer mehr Unternehmen beteiligen sich, weil sie die Erfolge sehen und allein heuer werden wir 40 Auszubildende aus El Salvador in die Nordoberpfalz bringen“, berichtet Stephan Bösl erfreut.  Zudem wurde das Projekt mittlerweile ausgeweitet, auf Ausbildungsberufe wie Industrie- und Zerspanungsmechaniker, Metallbauer mit Fachrichtung Konstruktion, Medientechnologen für Druck, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik und viele mehr. Die Agentur für Arbeit organisiert und managt den Ablauf. „Erst wenn sich Bewerber und Betrieb einstimmig füreinander entscheiden, kommt ein Ausbildungsvertrag zustande“, so Bösl. Schon die Vorstellungsgespräche via Teams finden zum Teil auf Deutsch statt. Darüber hinaus unterstützt die ZAV mit Dolmetschern. Bis zu ihrer Einreise nach Deutschland haben die Jugendlichen das Sprachlevel B1 erreicht und damit sehr gute, fundierte Sprachkenntnisse. Hier angekommen kümmert sich die Agentur für Arbeit um die weitere Sprachförderung und unterstützt die Auszubildenden bei der schulischen Bildung.
 

Azubis zeigen überdurchschnittliche Motivation

Für Stephan Bösl kristallisiert sich mehr und mehr heraus: „Die Jugendlichen aus El Salvador kommen mit einem ganz anderen ‚Drive‘ nach Deutschland, sie zeigen eine extrem hohe Motivation in ihrer Ausbildung.“ Dem schließen sich auch Ludwig Lachmeyer, Prokurist bei der Forster Unternehmensgruppe, und Fabian Weidensteiner, Head of Service bei Janner Waagen, beide Firmen mit Sitz in Weiden in der Oberpfalz, vollumfänglich an. „Bei uns haben letzten September David und Jaime ihre Ausbildung als Metallbauer für Konstruktionstechnik begonnen und wir könnten nicht zufriedener sein“, berichtet Ludwig Lachmeyer. Umgekehrt gehe es den jungen Erwachsenen genauso: „Die beiden sind sehr glücklich mit ihrer Entscheidung hierhergekommen zu sein, sie haben konkrete Pläne und möchten hier wirklich etwas erreichen.“ Ähnliche Erfahrungen habe auch Janner Waagen mit seinen mittlerweile sechs Auszubildenden gemacht, gibt Fabian Weidensteiner an. „Der Aufwand lohnt sich“, bestätigt er. „Klar, solche Dinge wie Wohnung, Führerschein und so weiter müssen für die ausländischen Auszubildenden organisiert werden, doch das machen wir gerne, wenn wir im Gegenzug wissbegierige und engagierte neue Kollegen bekommen.“ Janner Waagen hat sich bereits zwei Mal am Projekt beteiligt. „Für das nächste Ausbildungsjahr sind wir nur nicht dabei, weil wir unsere freien Stellen schon anderweitig besetzen konnten“, sagt Weidensteiner. „Sonst wären wir es wieder.“
 

Ethisch korrekte Personalgewinnung

Dass sich Jaime und David sehr wohl fühlen, das liege laut Ludwig Lachmeyer auch daran, dass sich ein fast gleichaltriger Pate um sie kümmert, nicht nur beruflich, auch privat. „Mirco hat selbst die Ausbildung bei uns gemacht und war sofort bereit, zu helfen“, erzählt er. Auch die Agentur für Arbeit empfiehlt das Patensystem. Klar, eine Garantie dafür, dass die Jugendlichen langfristig im jeweiligen Ausbildungsbetrieb bleiben, die gebe es laut Stephan Bösl nicht. Niemand verpflichtet sie dazu. „Doch genau das und weitere Aspekte von ‚El Salvador‘ zeigen, dass das Projekt ethisch korrekt abläuft“, so auch die Einschätzung von Jakob Schreiner, Referent für Projekte zur Fachkräfteeinwanderung bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. Immerhin: „Die Kosten für das Projekt, für Visum, Sprachkurs und so weiter, müssen die Betriebe selbst bezahlen, die Jugendlichen und ihre Familien sollen sich nicht verschulden müssen.“ Zumal man sich einen Großteil der Kosten über das bayerische Förderprogramm ‚Fit-for-Work‘ ohnehin wieder erstatten lassen könne, fügt Schreiner hinzu. Sein Fazit: „Gerade für kleine Betriebe kann ein Projekt wie ‚El Salvador‘ eine große Chance sein. Aufwand und Investition können sich durchaus lohnen.“

Sie haben Interesse an der Gewinnung von ausländischen Auszubildenen oder Fachkräften? Jakob Schreiner berät zu bestehenden Projekten in Ostbayern und den Konditionen einer Projektteilnahme.



 Deutsche Handwerks Zeitung

Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 28. Februar 2025.



 Ansprechpartner 

für die Gewinnung von ausländischen Auszubildenen oder Fachkräften:

Jakob Schreiner

Referent Projekte Fachkräfteeinwanderung

Tel. 0851 5301-170

Fax 0851 5301-281170

jakob.schreiner--at--hwkno.de



 Weitere Informationen

Förderprogramm "Fit for Work"

Wege ins Handwerk



Fotostudio Hübner
Stephan Bösl, Agentur für Arbeit in Weiden.



„Die Jugendlichen aus El Salvador kommen mit einem ganz anderen ‚Drive‘ nach Deutschland, sie zeigen eine extrem hohe Motivation in ihrer Ausbildung.“

Weidensteiner
Fabian Weidensteiner, Janner Waagen GmbH.

„(…) Dinge wie Wohnung, Führerschein (…) müssen für die ausländischen Auszubildenden organisiert werden, doch das machen wir gerne, wenn wir im Gegenzug wissbegierige und engagierte neue Kollegen bekommen.“