Im GesprächEin Heimatbesuch mit Folgen
Der 24. Februar hat das Leben von Millionen Menschen in der Ukraine verändert. An diesem Tag startete Russland seinen Angriff auf das Nachbarland. An diesem Tag war auch Ihor Vovk aus Schwandorf zufällig in der Ukraine – und er kam nicht mehr heraus. Dabei lebt der heute 29-Jährige seit 2015 in Deutschland. Gebürtig kommt er aus der Stadt Poltawa in der Zentralukraine. Im Februar hatte er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern die Eltern in seinem Heimatland besucht. "Als dann der Krieg ausgebrochen ist, steckten wir plötzlich fest", sagt Ihor Vovk. Als ukrainischer Staatsangehöriger konnte er nicht mehr ausreisen. "Alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen", erklärt er. Seine Familie durfte schon früher wieder nach Hause. "Damit meine Frau mit den beiden Kindern nicht allein ist, ist meine Mutter nach Deutschland mitgegangen", sagt Vovk. Inzwischen lernt auch seine Mutter Deutsch. Vovks Vater ist erst 56 Jahre und darf die Ukraine ebenfalls nicht verlassen. Statt in seiner Heimatstadt Poltawa lebte Vovk eineinhalb Monate in Kowel im Nordwesten der Ukraine. "Weil wir Angst hatten, dass die Brücken in der Region Poltawa gesprengt werden und wir nicht mehr fliehen könnten", sagt er.
Weiterbildung half bei der Ausreise
Erst eineinhalb Monate später konnte Ihor Vovk nach Deutschland zurückkehren – wegen einer Ausnahmeregelung, die für Ukrainer gilt, die im Ausland lernen. Vor seinem Besuch in der Ukraine hatte er einen Meisterkurs als Energie- und Gebäudetechniker bei der Handwerkskammer begonnen. Das Rekrutierungsbüro des ukrainischen Militärs prüfte seine Unterlagen und genehmigte letztendlich die Ausreise. Geholfen habe auch ein Schreiben der Handwerkskammer, das die Gleichwertigkeit von Meister und einem Studium belegt. Bis dahin hat Ihor Vovk versucht, beim Lernen nicht zu viel zu versäumen. Olaf Portner, Meisterkurs-Leiter bei der Handwerkskammer, hatte Vovk die Unterlagen zum Kurs über eine Online-Plattform zukommen lassen. Durch die Erfahrungen im Lockdown war Unterricht auch online möglich. "Die Teilnehmer konnten die Präsentation am Bildschirm verfolgen, ohne aktiv teilzunehmen", erklärt Portner. Wegen der instabilen Internetverbindung in der Ukraine habe es nicht immer funktioniert. "Aber auch so war es schwierig zu lernen: Wenn plötzlich Sirenen aufheulen und man in den Keller flüchten muss", erklärt Ihor Vovk. In seinem Heimatland hatte er IT-Softwareelektroniker gelernt. Über ein Arbeitsvisum kam er 2015 nach Deutschland und konnte über den Familiennachzug seine Frau nachholen. Die beiden Kinder wurden in Deutschland geboren. Vovk hat eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Inzwischen kann er einen Antrag auf die deutsche Staatsangehörigkeit stellen. Auch den Meisterkurs bei der Handwerkskammer hat er bereits beendet.
Der Krieg änderte die Weltsicht
Heute lebt er mit seiner Familie in Schwandorf und arbeitet als Laborelektroniker bei einem Regensburger Entwicklungsunternehmen. Dort unterstützt er sowohl die Produktentwicklung als auch die Serienfertigung von KNX-Geräten, die in Smart Home-Anwendungen eingesetzt werden. Vovks verhängnisvoller Heimatbesuch und der 24. Februar haben sein Leben beeinflusst. "Meine Weltanschauung hat sich verändert, alles hat sich verändert. Vorher habe ich es nicht für möglich gehalten, dass ein Krieg zwischen den beiden Ländern ausbrechen könnte", sagt Vovk. Außerdem denkt er nicht mehr langfristig. "Sparen für später macht für mich jetzt weniger Sinn", sagt er. Ihor Vovk lebt mehr im Jetzt.