Talentscout Anita Gmeiner( 2. v. li.) wirbt für mehr Frauen im Handwerk. Auch in denBetrieben sucht sie das Gespräch mit jungen Handwerkerinnen.
HWK
Talentscout Anita Gmeiner( 2. v. li.) wirbt für mehr Frauen im Handwerk. Auch in den Betrieben sucht sie das Gespräch mit jungen Handwerkerinnen.

Karrierechancen im Handwerk"Junge Frauen brauchen Vorbilder"

Von Stereotypen hält Anita Gmeiner gar nichts. "Im Handwerk gibt es keine typischen Männer- oder Frauenberufe. Im Prinzip sind alle Berufe für beide Geschlechter geeignet", sagt sie. Seit gut eineinhalb Jahren ist Gmeiner in der nördlichen Oberpfalz im Rahmen des Projekts "Mehr Mädchen fürs Handwerk" für die Handwerkskammer als Talentscout unterwegs. Sie wirbt in Schulen, auf Messen und in Betrieben für mehr weibliche Azubis. Das Modellprojekt ist insgesamt auf zwei Jahre ausgelegt. Es wurde zusammen mit dem Forschungsinstitut für betriebliche Bildung gestartet und vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Bayerischen Arbeitsmarktfonds gefördert. Das Fazit der studierten Sozialarbeiterin fällt positiv aus: "Handwerk ist unfassbar interessant und vielfältig und deshalb ist es wichtig, mehr Wertschätzung für das Handwerk zu schaffen. Und ich glaube, das gelingt mir."



Schluss mit Schubladendenken

Die 33-Jährige hat diverse Konzepte wie zum Beispiel den Handwerksparcours an Schulen oder spezielle Vormittage für Schulgruppen in den HWK-Bildungszentren erarbeitet. Am meisten Spaß hat ihr der Aufbau eines Netzwerks mit Role Models gemacht. Das sind junge Auszubildende, Gesellinnen und Gesellen oder Handwerksmeister, die bei Gleichaltrigen für ihren jeweiligen Beruf werben. "Das sichtbare Produkt dieser Arbeit ist eine Podcast-Reihe, die wir in Kooperation mit dem Jugendzentrum Weiden produzieren", erzählt Gmeiner. Der Podcast mit dem Titel "Handwerk - In Schubladen denken war gestern!" könne an den Schulen auch als Unterrichtsmaterial zur Berufsorientierung eingesetzt werden. "Wir arbeiten dazu auch noch Begleitmaterial aus, das die Lehrer kostenfrei erhalten können."

Anita Gmeiner versucht, bei den Schülerinnen Vorurteile abzubauen. Denn meistens denken junge Frauen beim Thema Handwerk sofort an körperlich schwere Arbeit. "Das stimmt dank des technischen Fortschritts aber schon lange nicht mehr." Als Talentscout war Gmeiner immer wieder überrascht, wie wenig Mädchen und junge Frauen über das Handwerk als Berufsmöglichkeit wissen. "Die setzen sich inhaltlich damit oft gar nicht oder nur kaum auseinander. Und auch von gleichaltrigen Freundinnen und Bekannten höre ich immer wieder, wenn wir über das Handwerk sprechen: "Hätte ich das damals schon alles übers Handwerks gewusst, wäre ich lieber mit einer handwerklichen Ausbildung und nicht mit einem Studium ins Berufsleben gestartet."



Karrierechancen für Frauen

Was also tun? Gleichaltrige Rollenvorbilder, so Gmeiner, erreichen die Mädchen am besten. Und auch die sozialen Medien spielen eine große Rolle. "Wenn die Mädchen dort junge Handwerkerinnen sehen, zieht das sofort und gibt ihnen in der Regel ein Aha-Erlebnis: ,Wenn sie das kann, dann traue ich mir das auch zu.‘ Die Vorbilder erreichen Jugendliche auf einer emotionalen Ebene – und das ist besonders wichtig." Anita Gmeiner geht es primär darum, dass alle Schülerinnen und Schüler einen Einblick in Handwerksberufe bekommen. "Ich will den Jugendlichen die Möglichkeit geben, unterschiedliche Berufsbilder kennenzulernen, um dann selbst eine gute und eigenständige Entscheidung für ihre Zukunft treffen zu können."

Gerade für Frauen biete das Handwerk enorme Karrierechancen. Gmeiner sagt: "Hier sind wir wieder beim Thema Unabhängigkeit und Gleichberechtigung. Und deshalb wäre es eigentlich für jeden Menschen super, eine handwerkliche Ausbildung zu machen, da man einfach viele Fähigkeiten erlangt, mit denen man sich selbst – egal in welcher Lebenssituation – besser weiterhelfen kann. Was für Frauen natürlich interessant ist, das sind die Bezahlung und die Krisensicherheit der Arbeitsplätze im Handwerk, zudem auch der Fakt, dass man im Handwerk flexible Arbeitszeitmodelle praktiziert, größtenteils körperlich aktiv ist und nicht nur am Schreibtisch sitzt."

Geschlechterneutrale Berufsorientierung, so die HWK-Mitarbeiterin, sei das Gebot der Stunde. Das hätten inzwischen immer mehr Schulen und Betriebe erkannt. Auch der verpflichtende Tag des Handwerks an allen weiterführenden Schulen in Bayern trage dazu bei. "Wichtig ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler einfach mal mit dem Thema Handwerk auseinandersetzen dürfen."



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Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 21. Juli 2023



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Der Podcast ist unter www.podcast.de mit dem Stichwort "Handwerk in Schubladen" zu finden.