Hat in seiner Backstube immer gute Laune: Bäckermeister Stefan Krauß.
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Hat in seiner Backstube immer gute Laune: Bäckermeister Stefan Krauß.

Im Gespräch Der Bäckermeister mit Energie für zwei

Bäckermeister Stefan Krauß hat Energie für zwei. "Seine Umtriebigkeit geht mir manchmal richtig auf die Nerven", sagt seine Frau Susanne und lacht. Ihr Mann steht jeden Tag um ein Uhr morgens auf, um dann gut gelaunt die zwei Stockwerke hinunter in seine Backstube zu gehen. Genauso und genau an dem Ort, wie es schon seine Vorfahren gemacht haben. Stefan Krauß ist die 14. Generation, die in der Familie Krauß das Bäckerhandwerk ausübt. Das Familienanwesen am Stadtplatz 39 in Kemnath befindet sich sogar schon seit 19 Generationen in Familienhand. "Wir sind nachweislich die älteste Bäckerei Deutschlands", sagt der 45-jährige Vollbluthandwerker stolz. "Unsere Bäckerei gibt es seit 1573." Das sei in diversen Unterlagen verbrieft.



Jubiläumsbrot erfunden

Rund 2.500 Semmeln, einige hundert süße Teilchen und 200 Laib Brot bäckt Stefan Krauß täglich. Zu seinem Team gehören neben seiner Frau noch drei Bäckerinnen und 16 Verkäuferinnen, die auch seine beiden Filialen in Kastl und Waldeck am Laufen halten. Immer wieder tüftelt Stefan Krauß neue Brotrezepte aus. Wie zuletzt die Spezialrezeptur für sein "Jubiläumsbrot", das es anlässlich der 450-Jahrfeier nur in diesem Jahr zu kaufen gibt. "Ich habe verschiedene Brote zur Auswahl gebacken und dann meine Stammkunden im Café probieren und abstimmen lassen", erzählt Stefan Krauß. Gewonnen hat das dunkle Roggenmischbrot mit Bier und Röstzwiebel drin. Die Spezialität vom "Bäcker Adl" ist allerdings der legendäre Nusszopf, den Stefan Krauß nicht nur deutschlandweit sondern auch in die Schweiz und nach Österreich verschickt. "Das Geheimnis des Familienrezepts ist die Nussfüllung. Die macht gut zwei Drittel des Nusszopfs aus. In manch anderen Zöpfen muss man die Nüsse ja fast schon suchen", sagt der Bäckermeister.

Aber warum heißt seine Bäckerei nicht "Krauß", wie alle seine Vorfahren? Sondern "Bäcker Adl"? Stefan Krauß holt das Familienbuch aus dem Schrank und taucht tief in die Familienhistorie ein: Lange Zeit waren demnach in Kemnath nur Graubrotbäcker erlaubt. Und die durften lediglich Brot backen. "Aber im Jahr 1711 wurde mein Vorfahr Adam Krauß zum Weißbäcker ernannt und wir hatten ab dann die offizielle Erlaubnis, auch Semmeln, Gebäcke und Brezen zu backen", erklärt Krauß. "Der Betrieb wurde seitdem Bäcker Adl genannt, weil Adl die Kurzform von Adam ist." Aus dem 18. Jahrhundert stammt auch das Familienwappen: eine Breze mit einem großen "A" in der Mitte. "Weil Adam Krauß in Kemnath so beliebt war, erhielt er von den Hohen Räten von Kemnath das Siegel mit der Breze mit dem A drin verliehen", erklärt Stefan Krauß.



Backstube war Spielplatz

Tradition ist dem Bäckermeister auch heute noch wichtig. Zum einen legt er großen Wert auf handwerkliches Backen: "Ich finde es immer wieder faszinierend, wie man aus so wenigen und so einfachen Zutaten wie Mehl, Wasser und Hefe so viel Kreatives machen kann. Das erfüllt mich total und macht mir jeden Tag Freude." Zum anderen hofft der 45-Jährige, dass eines seiner drei Kinder eines Tages die Bäckerei weiterführen wird: "Natürlich ist es ein großer Wunsch von mir, dass es weitergeht. Denn unsere Familientradition ist schon beeindruckend."

Für Stefan Krauß war früh klar, dass er das Bäckerhandwerk erlernen wird. Schon als Zwölfjähriger ging der seinem Vater zur Hand. "Ich bin quasi in der Backstube aufgewachsen, sie war mein Spielplatz", erinnert sich Stefan Krauß. Das frühe Aufstehen und sein ungewöhnlicher Schlafrhythmus – Krauß schläft von 8 Uhr bis 12 Uhr mittags und dann wieder von 21 Uhr bis um 1 Uhr morgens – machen ihm nichts aus. Im Gegenteil. Er sagt: "Ich fühle mich so energiegeladen, dass ich nachmittags sogar noch diverse Nebenjobs annehmen kann." Mehrmals in der Woche erledigt er für ältere Kemnather Mitbürger Gartenarbeiten, außerdem jobbt er hin und wieder bei einer Baufirma, die Asphalt verarbeitet.

Das Herz des Bäckers schlägt aber für sein Handwerk. Seine Arbeit ist mehr Berufung als Beruf für ihn: "Arbeit muss Spaß machen und ich bin sehr gerne Handwerker", sagt er. Stefan Krauß blickt optimistisch in die Zukunft, sein Betriebsjubiläum feiert er Ende Juli mit einem großen Fest. Urlaub macht er nur einmal im Jahr für eine Woche. Dann fährt er mit der Familie weg. Dieses Jahr geht es nach Griechenland. Während der Corona-Pandemie hat Krauß drei Jahre durchgearbeitet.

Die Krisen dieses Jahres, steigende Rohstoff- und Energiepreise, haben ihn längst nicht so gebeutelt, wie viele seiner Handwerkskollegen. Seinen Strom erzeugt er selbst. Im Keller stehen zwei Blockheizkraftwerke. Und seine Rohstoffe bezieht der gebürtige Kemnather seit Jahren hauptsächlich von Handwerkern und Landwirten aus der Region. "Mit der Müllerin, von der ich mein Mehl bekomme, bin ich schon in die Schule gegangen, wir kennen uns seit Jahren", so Krauß. "Man kennt sich und man kann sich aufeinander verlassen."



Bekannt wie ein bunter Hund

Überhaupt ist Krauß in seinem Heimatort im Landkreis Tirschenreuth bekannt wie ein bunter Hund. Das liegt nicht nur an seinem Traditionsbetrieb, sondern auch an seinem ausgefallenen Hobby. Denn: Krauß fährt leidenschaftlich gerne Hochrad. Ein sehr großes Exemplar steht bei ihm stets abfahrtbereit in der Scheune. Manchmal fährt er damit durch den Ort. Manchmal schmeißt er aber auch den Motor einer weiteren Rarität an, die bei ihm in der Garage steht: Stefan Krauß besitzt nämlich das erste Automobil der Welt mit Benzinmotor von Karl Benz aus dem Jahr 1886.

Für das Pressefoto mit dem wertvollen Gefährt zieht sich der Bäckermeister extra seinen Frack an. Als der Motor seines Oldtimers rattert, grinst er über das ganze Gesicht. Woher er die Energie für Beruf, Nebenjobs, Familie und seine ausgefallenen Hobbies nimmt? "Ich weiß es nicht, ich hab‘ die einfach." Stefan Krauß schreit gegen den Lärm an und sieht dabei sehr glücklich aus.

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Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 7. Juli 2023