Seit über 20 Jahren ist Marion Zuckmantel als "Fliesenfee" auf der Baustelle im Einsatz.
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Seit über 20 Jahren ist Marion Zuckmantel als "Fliesenfee" auf der Baustelle im Einsatz.

InterviewAuf dem Bau ist kein Platz für Rollenklischees

Bayerbach im Landkreis Landshut: Wer bei Marion Zuckmantel zu Besuch ist, sieht an jeder Ecke wie sehr sich die Handwerksmeisterin für das was sie tut begeistert. Vor der Haustür glitzern kleine Mosaike zwischen Pflastersteinen, die Magnetwand im Esszimmer ist mosaikartig gefliest. Seit über zwanzig Jahren arbeitet die 42-jährige als Fliesenlegerin: ein Job, der nicht nur handwerkliches Geschick erfordert, sondern auch kreatives Vorstellungsvermögen. "Ich kann optisch viel verändern, ich kann Räume größer ausschauen lassen, einen großen Raum verkleinern. Das ist das Schöne daran", so Zuckmantel. Der Anspruch an ihre Arbeit ist hoch, denn gerade beim Fliesenlegen haben kleine Fehler eine große Wirkung. "Nach dem Aufstehen ist das Bad der erste Raum, den man betritt. Das ist nicht mein Ziel, dass man sich so früh schon ärgern muss," sagt sie.

 

"Das ist meine Arbeit"

Den Anstoß das Handwerk zu lernen gab Zuckmantels Vater, selbst Fliesenleger. Bei ihm absolvierte sie ein Praktikum, entschied sich dann für die Lehre. Diese habe sie stark gefordert, erinnert sie sich. Ständig der Dreck und der Staub, ständig aufgesprungene Hände. "Ich habe mir gesagt, dass ich die Lehre noch fertigmache, danach kann ich immer noch was Anderes arbeiten. Aber nach der Lehre wollte ich das gar nicht mehr", sagt sie heute. Anfänglicher Skepsis zum Trotz hat Zuckmantel schnell gelernt, was das Fliesenlegen so besonders macht. Zu sehen was man geschaffen hat mit den eigenen Händen, das könne einem am Ende eines langen Tages keiner nehmen. 2001 hat sie ihre Meisterprüfung abgelegt. Spätestens dann war klar: "Das ist meine Arbeit." Ihr Motto seither: "Den Dreck kann ich abwaschen, Faulheit nicht."

 

Gegen Vorurteile auf der Baustelle

Als Frau auf der Baustelle ist Zuckmantel für einige ein seltener Anblick. Schon in der Schule ist ihre Berufswahl belächelt worden und auch heute noch ist die 42-jährige mit Vorurteilen konfrontiert: "Viele denken, eine Frau schafft das nicht, fragen mich auf der Baustelle wer jetzt die Fliesen legt. Wenn ich sage, dass ich das mache, kommt es schon vor, dass die Leute vor den Kopf gestoßen sind." Auf die Vorurteile reagiert sie unaufgeregt mit sauberer, zuverlässiger Arbeit. "Auch für meine männlichen Kollegen ist das ein anstrengender Job und deren Arme sind auch nicht immer länger als meine", sagt Zuckmantel. In den letzten Jahren habe sich aber auch viel verändert. Seit 2019 ist sie im Meisterprüfungsausschuss der Fliesen-, Platten- und Mosaikleger in Straubing und beobachtet, dass die Anzahl der Frauen, die im Gewerk ihre Meisterprüfung ablegen ansteigt. Auch auf der Baustelle erlebt die Fliesenlegermeisterin eine schleichende, wenn auch sichtbare Trendwende: "Man wird als Frau mittlerweile schon besser akzeptiert und wahrgenommen," so Zuckmantel.

 

"Keine Angst vor Fugen"

Der Rückblick auf zwanzig Jahre als Fliesenlegerin enthält viele Höhen und ein paar Tiefen – bereut hat Marion Zuckmantel ihre Entscheidung nie. Sie liebt ihren Job, kreativ zu sein und etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen. Am liebsten arbeitet sie mit bunten Fliesen oder Mosaiken. "Viele trauen sich das nicht, derzeit geht der Trend eher zu neutralen Farben und fugenlosen Bädern," stellt Zuckmantel fest. In ihrem eigenen Bad sieht das anders aus. Eine farbenfrohe Dschungellandschaft zeigt, was mit Fliesen alles möglich ist. Das würde sie gerne öfter machen, bei Fliesen könne man ruhiger mutiger sein, meint sie. Auch zu aktuellen Trends hat sie eine klare Botschaft: "Niemand sollte Angst vor Fugen haben!"

 

Mutter und Meisterin

Vor zwei Jahren ist Marion Zuckmantel Mutter geworden, seitdem hat sich in ihrem Leben viel verändert. Bevor sie auf die Baustelle geht, bringt sie ihren Sohn in die Krippe, am Nachmittag holt sie ihn wieder ab. Absolute Planungssicherheit gibt es nicht mit Kindern, wenn es ihrem Jungen nicht gut geht, dann muss sie schnell reagieren. "Es braucht ein gutes Management, um alles unter einen Hut zu bekommen," sagt sie. Die Arbeit hat sie für ihren Sohn gerne zurückgeschraubt. Trotzdem bleibt die Baustelle ihr zweites Wohnzimmer. Hier zeigt sie jeden Tag allen Vorurteilen zum Trotz, wie viel Frauen – und Mütter – im Handwerk leisten können.

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Ein Artikel aus der Deutschen Handwerks Zeitung vom 5. Mai 2023