Sylvia Mercedes Steinbart nutzte die Pandemiezeit, um ihrer Leidenschaft nachzugehen und das Handwerk der Hutmacherei weiter zu vertiefen.
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Sylvia Mercedes Steinbart nutzte die Pandemiezeit, um ihrer Leidenschaft nachzugehen und das Handwerk der Hutmacherei weiter zu vertiefen.

Im Gespräch"Die Pandemie war der Startschuss in die Selbstständigkeit"

Startschuss fürs Hüte machen fiel im Theater

Sylvia Mercedes Steinbart hat ein besonderes Gespür für Mode. Ihre Perlenohrringe, Vintage-Locken, Pünktchenbluse und der grüne Tweedrock ergeben ein stimmiges Bild einer stilvollen Dame aus den 50-er Jahren. Gleich nach der Lehrzeit in Nürnberg hat die Herrenschneiderin in Theatern gearbeitet. Später arbeitete sie unter anderem bei den Bayreuther und Salzburger Festspielen. Am Stadttheater Landshut war sie fünf Jahre lang die Leitung der Kostümabteilung. „Da es keine Modistin gab, aber Hüte angefragt wurden, habe ich es halt gemacht“, sagt sie, „und nach einem Kurs für Hutmacher habe ich Blut geleckt.“ Ihre Augen strahlen, als sie von der beeindruckenden Werkstatt ihrer Mentorin Karin Zeisberger erzählt. „Sie ist eine der besten Modistinnen in Deutschland“, sagt Steinbart. Die Kenntnisse aus dem Kurs hat sie im Theater umgesetzt, um für die Schauspieler eine passende Kopfbedeckung zu kreieren.

Pandemie zwang in die Selbstständigkeit

Später war Steinbart bei der Pferdeshow „Apassionata“ tätig, bis diese insolvent wurde. Durch den Lockdown wurde sie arbeitslos. „Da bin ich fast durchgedreht“, sagt sie. Deshalb fing sie an, Hüte herzustellen. Im Juni 2020 hatte sie ihre erste Vernissage und stellte ihre Hüte auf Märkten aus. „Das hat so viel Spaß gemacht“, sagt die Hutmacherin. Etwa 100 Hüte hatte sie im Gepäck. Schließlich sind die Kunden sehr unterschiedlich: vom Alter her, aber auch die Größe, Figur und Gesichtsform sind für die Hutwahl entscheidend. Ein Jahr später folgten weitere Märkte, die mal besser, mal schlechter liefen. „Einmal wurde mein Zelt vom Sturm weggeweht“, sagt sie. Dabei sind die Hüte teilweise sehr empfindlich, manche Materialien mögen keine Feuchtigkeit.

Nachhaltigkeit ist wichtiges Kriterium

Die Produktion beginnt mit der Suche nach Stumpen, Stoffen und Bändern. Früher wurde die Hutmacherin auf Flohmärkten fündig, heute ist es Ebay. Sie kauft auch alte Hüte, Bänder, Garnituren und seltene Federn, um daraus neue Kunstwerke zu erschaffen. Auch bei den Herrenhüten achtet sie auf Stil. „Ich will in jeden Hut etwas Pfiff reinbringen“, sagt Sylvia Mercedes Steinbart. Wenn sie Pelz verwendet, recycelt sie dafür alte Stolas oder Krägen. Fünf bis zehn Hüte pro Woche kann die Hutmacherin anfertigen: Material aussuchen, Ripsbänder und Rohlinge anschauen, verschiedene Varianten ausprobieren, in Form ziehen, trocknen lassen, ausgarnieren.

Hüte auf Anfrage

Momentan ist Steinbart wieder angestellt: Sie pendelt ins Erzgebirge, um dort als Damengewandmeisterin zu arbeiten. Die Stellen in Bayern sind knapp. Sie freut sich auf die warme Jahreszeit, wenn die Märkte wieder beginnen und sie passende Hüte für ihre Kunden aussuchen darf. Bis dahin arbeitet sie auf Anfragen für Hochzeiten und andere Anlässe. Einen Online-Shop hat die Hutmacherin nicht, weil sie ihre Hüte nicht verschicken kann. Die empfindlichen Formen und Federn würden kaputtgehen. In ihrer Federnbox schlummern Schätze aus den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die irgendwann einen besonderen Auftritt bekommen sollen. „Außerdem ist der Hut ein Accessoire, dass anprobiert werden muss. Die Beratung ist sehr wichtig, es kommt auf den Kopf und die Gesichtsform an, aber auch wie man den Hut richtig aufsetzt“, erklärt Sylvia Mercedes Steinbart. Auch wenn Deutschland (noch) keine Hutnation sei, man in England und Neuseeland mehr Hut sieht, ist Steinbart selbst überzeugte Hutträgerin. Denn damit lasse sich das Erscheinungsbild entscheidend beeinflussen. „Ein Hut macht die Garderobe vollkommen, er wertet das Gesicht auf. So kann ein schlichtes Kleid mit einem passenden Hut zu einem Blickfang werden“, sagt sie. „Erst mit einem Hut ist man vollständig angezogen.“