Uwe Pichl kümmert sich in seiner Funktion als Zenturio bei den Barber Angels um die gesamte Regionalgruppe Bayern.
Alexander Schmadel
Vor zwei Jahren wollte sich Uwe Pichl die Barber Angels nur einmal anschauen. Mittlerweile kümmert er sich in seiner Funktion als Zenturio um die gesamte Regionalgruppe Bayern.

Uwe Pichl aus Neutraubling ist Mitglied der "Barber Angels"Bedürftigen ein Stück Würde zurückgeben

Wer kennt das nicht? Nach einem Friseurbesuch fühlt man sich wie ein neuer Mensch. Es heißt schließlich nicht umsonst: zu einem neuen Lebensabschnitt gehört auch eine neue Frisur. Doch nicht jeder kann es sich leisten, sich regelmäßig die Haare frisieren zu lassen. Hier setzt die Arbeit der Barber Angels Brotherhood an. Der Friseurclub schneidet Bedürftigen und Wohnungslosen kostenlos Haare und Bärte. Einer von ihnen ist Uwe Pichl, der in Neutraubling den Salon "Haarwerk" betreibt.

"Ein Bekannter hat mich vor zwei Jahren auf die Barber Angels aufmerksam gemacht. Anfangs dachte ich mir, so ein Kasperltheater, besonders wegen der Rockerkluft. Meine Freundin hat mich dann überredet, mir so eine Haarschneideaktion zumindest einmal anzuschauen - und ich war direkt überzeugt", berichtet Pichl. Mittlerweile ist der 52-Jährige als Zenturio für ganz Bayern zuständig. Rund 30 Friseure gehören zum bayerischen Team, die meisten stammen aus ländlichen Gebieten. "Gerade in München, wo großer Bedarf herrschen würde, haben wir noch keine Mitglieder gefunden", bedauert er.

Blick auf Hilfsbedürftige verändert

Einmal im Monat, an einem Sonntag, verpasst die Bruderschaft Obdachlosen, Geringverdienern oder Hartz IV-Empfängern kostenlos einen neuen Haarschnitt. "Die Gespräche sind ganz anders als die mit den Kunden im Salon", erklärt Pichl. "Die Schicksale, die wir erleben, bringen einen schon zum Nachdenken, das kann man nicht einfach ausblenden." Besonders schwer sei es, wenn eine Person von Treffen zu Treffen immer weiter abbaue oder von Drogen zerfressen werde.

Die Lebensgeschichten der Bedürftigen haben ihm gezeigt, wie schnell so ein gesellschaftlicher Abstieg manchmal gehen kann. "Seitdem sehe ich einen Obdachlosen mit anderen Augen. Früher habe ich weggesehen oder höchstens einmal einen Euro in die Spendenschüssel geworfen. Dabei geht es denjenigen nicht rein ums Geld. Sie werden gar nicht mehr wahrgenommen", erzählt er. Mittlerweile gehe er auf diese Leute zu, unterhält sich, gibt auch mal einen Kaffee aus. Seine Tochter, die er einmal zu einer Barber Angels-Aktion mitgenommen hat, sei schockiert gewesen, welch Armut im sonst so reichen Deutschland vorherrscht.

Neue Frisur verhilft als Neustart

Den Barber Angels geht es nicht nur darum, Bedürftigen neue Frisuren zu zaubern. Sie möchten neuen Mut geben und das Gefühl, nicht ausgegrenzt zu werden. Auch Uwe Pichl hat das so bei seiner Arbeit erlebt: "Viele sind unglaublich dankbar dafür, dass jemand ein normales Gespräch mit ihnen führt und sich für sie interessiert." Am Anfang seien viele zurückhaltend, manche haben Respekt vor der Lederkutte. Die "Angel Uniform", wie sie ihre Arbeitskleidung nennen, soll keine Zugehörigkeit zu einer Rockerbande symbolisieren. "Wir wollen nicht in teurer Kleidung aufmarschieren, sondern zeigen, dass wir alle gleich sind, und eine erste Hemmschwelle damit überwinden", argumentiert Pichl. Der Wiedererkennungswert sei natürlich ebenfalls wichtig.

Im ersten Moment mag sich so mancher fragen, ob bedürftige Menschen nicht andere Dinge nötiger hätten, als einen Haarschnitt. Dem kann Uwe Pichl klar entgegnen: "Über unsere Frisur werden wir Teil der Gesellschaft, schließlich zählt oft der erste Eindruck. Die Männer und Frauen sind teilweise nicht wiederzuerkennen, die frisch frisierten Haare verändern das gesamte Auftreten." Für manche sei das sogar ein Ansporn, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken. "Bei einer Aktion in München habe ich eine Frau kennengelernt, Melanie, die dadurch neuen Mut gefasst und inzwischen wieder eine Arbeit und eine Wohnung gefunden hat."

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Die Barber Angels gibt es seit November 2016, mehr als 400 Haarschneideaktionen haben sie seither durchgeführt. "Wir können der Gesellschaft mit unserem Handwerk etwas zurückgeben", beschreibt Pichl seine Motivation. Er selbst nimmt zu den Aktionen immer wieder Mitarbeiter und Azubis mit, hofft, dass diese auf den Zug aufspringen. Dennoch sei es schwer, neue Mitglieder zu finden. Die Arbeit am eigentlich freien Sonntag und der Mitgliedsbeitrag schrecken manche ab. "Das Geld wird ausschließlich für Arbeitsmaterialien, Hygieneartikel und ähnliches verwendet. Für die Räume bezahlen wir nichts. Auch die Anreise erfolgt stets mit unseren eigenen Autos", rechtfertigt er den Beitrag.

Ansehen und Werbung nebensächlich

In seinem Salon in Neutraubling reagieren die Kunden fast immer positiv, wenn sie vom Engagement des Friseurs erfahren. Das und das Gefühl, den Menschen etwas Gutes zu tun, treiben ihn an. Seither lerne er sein Handwerk noch einmal neu kennen und lieben. Das spürt auch seine Kundschaft. "Die positive Berichterstattung hat mir natürlich auch neue Kunden beschert. Darum geht es mir aber nicht. Ich bin aus Überzeugung bei den Barber Angels, nicht aus Prestigegründen. Wenn es das einmal heißt, dann höre ich auf", gibt Uwe Pichl klar zu verstehen.

Die nächste Aktion der Barber Angels Bayern ist im Juli in Landshut. Auch weitere Städte wie Nürnberg sind im Gespräch.

 Information

Sie wollen bei den Barber Angels mitmachen?
Weitere Infos erhalten Sie auf der Homepage der Barber Angels: b-a-b.club oder beim Leiter der Regionalgruppe Uwe Pichl, Mobil: 0171 9881805



Uwe Pichl schneidet zusammen mit seinen Kollegen bei den Barber Angels in seiner Freizeit unentgeltlich Bedürftigen die Haare.
Die Flotografen
Uwe Pichl schneidet zusammen mit seinen Kollegen bei den Barber Angels in seiner Freizeit unentgeltlich Bedürftigen die Haare.